Die Farbe

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Bunt oder nicht bunt – das ist hier die Frage.

Ehe wir ans „Eingemachte“ gehen, werden wir uns zuerst einmal auf eine einheitliche Sprache einigen. Sicherlich wissen die meisten unserer Leser über unterschiedliche Begriffe für die einzelnen Farben Bescheid. Was in der Umgangssprache Rot ist, heißt zum Beispiel in der Technik meist Orange, landläufig Blau wird vom Drucker als Cyan bezeichnet.

Die Bezeichnung der Grundfarben

Abbildung 1Das erste, was wir hier für ein besseres Verständnis untereinander tun, wird also die Einführung einheitlicher Farbbezeichnungen sein. Der meiner Meinung nach beste Vorschlag in dieser Hinsicht kommt von Dr. Schauer aus einer Diskussion in der Fachzeitschrift „Deutscher Drucker“ aus dem Jahre 1970 (siehe Abbildung 1).
Leider hat sich bis heute trotz vieler Bemühungen, unter anderem vom Deutschen Normen-Ausschuss mit seinen DIN-Formblättern 16.508 und 16.509, noch keine einheitliche Bezeichnung durchsetzen können.

Wahrscheinlich kommt das daher, dass die meisten mit Farbe befassten Fachleute nur ihre eigenen Bezeichnungen gelten lassen, weil sie überzeugt sind, nur ihre Ansichten zu diesem Thema wären die richtigen.

Für uns soll in der Serie über Farbtheorie nicht so sehr richtig oder falsch entscheidend sein, sondern vielmehr „praktikabel“ oder nicht. Unser erstes Teilziel ist daher auch voll auf die Praxis ausgerichtet. Wir wollen versuchen, uns mit der Farbmischtheorie vertraut zu machen. Die meisten haben dies zwar irgendwann einmal gelernt, dann aber wieder den größten Teil vergessen, da man ihn nicht so häufig gebraucht hat.

Zwei der wichtigsten Vorteile der Spritzpistole liegen in der Möglichkeit, Farben sehr genau zu dosieren und lasierend zu verarbeiten. Die Dosierbarkeit wird uns später bei den praktischen Übungen helfen, während besonders die Lasurtechnik eine unabdingbare Voraussetzung für die in Grafik und Kunst sehr häufig verwendete „Subtraktive Farbmischung“ ist.

Wie entsteht Farbigkeit?

Zuerst müssen wir uns aber darüber Klarheit verschaffen, was unter Farbe zu verstehen ist und wie Farbigkeit überhaupt entsteht. Je klarer Ihnen die Zusammenhänge werden, desto leichter wird Ihnen deren praktische Nutzung fallen.

Farbe ist die Summe der Empfindungen, die durch auf die Netzhaut einfallendes Licht im Gehirn hervorgerufen werden. Dabei ist das Licht selbst nicht farbig! Licht ist lediglich eine Abstrahlung oder Reflektion überschüssiger Energie von Materie in Form von elektromagnetischen Strahlen.

Abbildung 2Um das Folgende zu verstehen, ist es nicht so wichtig Strahlentherorie zu betreiben, wie vielmehr die Vorgänge, die zu Farbempfindungen im Gehirn führen, verstehen zu lernen. Betrachten wir darum kurz und schematisch vereinfacht die Funktionsweise des menschlichen Auges (Abbildung 2).

Lichtstrahlen, die aufs Auge treffen, dringen zuerst durch die durchsichtige Hornhaut, die das Auge schützt. Bereits diese Hornhaut lässt nur noch Strahlen mit Wellenlängen zwischen ca. 300 nm (1 Nanometer = 0,000 000 001 m) und 1.500 nm durch. Beim Durchgang durch die Linse wird dieser Bereich nochmals eingeengt auf ca. 380 nm bis ca. 760 nm. Das genau ist der Bereich der für das menschliche Auge „sichtbaren“ elektromagnetischen Strahlung.

Von der Linse, die dank der darumliegenden Muskelstränge nach Bedarf verstellt werden kann, wandert der Lichtstrahl durch den mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllten Glaskörper und trifft dann auf die Netzhaut. Diese setzt sich aus den sogenannten Zapfen und Stäbchen zusammen. Dabei haben die Stäbchen – davon gibt es ca. 125 Millionen – lediglich die Aufgabe, hell und dunkel voneinander zu unterscheiden. Die Zapfen, etwa 7 Millionen, sind sogenannte „Quantensammler“. Die empfangen die auftreffende Lichtenergie, die in der modernen Physik in Lichtquanten oder Photonen gemessen werden kann. Es gibt 3 verschiedene Arten von Zapfen. Je nach Wellenlänge des auftreffenden Lichtstrahls erzeugt eine der drei Zapfenarten mittels einer chemischen Reaktion im Gehirn die Empfindung einer der drei „Urfarben“ Violettblau, Grün oder Orangerot. Genau für diese Farben sind die drei Zapfenarten nämlich besonders sensibel. Die Summe dieser Empfindungen ergibt unser farbiges Bild.

Bereits 1793 hat der Arzt und Physiker Thomas Young diese Dreifarbentheorie des Sehens aufgestellt. Maxwell und Helmholtz haben sie später weiterentwickelt und heute gilt sie als gesichert und wird „Dreikomponenten-Theorie“ genannt

Es ließe sich noch eine ziemliche Menge über das Auge und das Sehen sagen. Zum Verständnis dessen, was wir hier erklären wollen, reicht der sehr grobe Überblick jedoch aus.

Wir wissen, dass die Farbempfindung von der Wellenlänge des auftreffenden Lichtstrahls abhängig ist. Der sichtbare Bereich von elektromagnetischen Wellen – das Licht ist nur ein kleiner Ausschnitt davon – reicht von ca. 380 nm (Nanometer, s. o.) bis ca. 720 nm. Gemessen wird die Wellenlänge immer von Maximum zu Maximum oder von Wellenberg zu Wellenberg.

Das Spektrum

Abbildung 3Unter normalen Umständen, sehen wir nie Strahlen von nur einer Wellenlänge, sondern immer ein Gemisch daraus. Isaak Newton gebührt der Verdienst, dieses Mischlicht in seine einzelnen Komponenten aufgeteilt zu haben. Er stellte mit seinem berühmten Prismaversuch (siehe Abbildung 3) als erster fest, dass zum Beispiel im Sonnenlicht ein ganz bestimmtes Spektrum vorhanden ist. Er ging noch davon aus, dass die „Buntarten“ in den Lichtstrahlen selbst vorhanden seien. Wir haben ja bereits gelernt, dass die Farbigkeit erst im Gehirn entsteht.

Zurück zu Newton’s Prisma. Wodurch entsteht die Auffächerung eines mit parallelen Strahlen auftreffenden Lichtbündels? Sie erklärt sich dadurch, dass unterschiedlich lange Wellenlängen auch zu unterschiedlichen Brechungsfaktoren beim Übergang von einem Medium in ein anderes führen. Dabei kann man sich als Faustregel merken: Je länger die Schwingung, desto geringer die Ablenkung und umgekehrt.

Abbildung 4Für uns ist es noch wichtig, dass die Intensität der einzelnen Wellenlängen unterschiedlich sein kann und meistens auch ist. So ist zum Beispiel an einem Sommertag gegen Mittag die Intensität der kurzwelligen Violett- und Blaustrahlung am höchsten (Abb. 4 a), wohingegen bei Sonnenuntergang die Intensität der Orangerot- und Rotstrahlung am kräftigsten ist (Abb. 4 b). Um für industrielle Zwecke – zum Beispiel im Druck – einen einheitlichen Standard zu haben, wurden künstliche Lichtquellen entwickelt, die in fast jedem sichtbaren Wellenbereich mit gleicher Intensität strahlen. Man nennt diese Lichtquellen „Abmusterungslampen“.

Der auf der Netzhaut des Auges auftreffende Lichtstrahl und die dadurch hervorgerufene Farbempfindung werden durch mehrere Faktoren beeinflusst Hier erwähnen wir nur die drei wichtigsten: erstens natürlich durch das Spektrum des abstrahlenden Objektes, zweitens die Beschaffenheit eines eventuellen Reflexionsobjektes – was noch zu besprechen ist – und drittens durch den Empfänger. Gerade der dritte Punkt liefert die Erklärung für sogenanntes „Farbenfehlsehen“ oder die „Farbenblindheit“. Dann nämlich liegt meist eine Fehlfunktion der Zapfen in der Netzhaut des Betrachters vor. Da dies relativ selten vorkommt, können wir es damit auch bewenden lassen und uns gleich dem zweiten Punkt, den reflektierenden Objekten zuwenden.

Remission und Emission

Jeder von uns kann Farben unterscheiden, selbst wenn das farbige Objekt nicht selbst der Erzeuger der Strahlung ist, die wir mit den Augen wahrnehmen. Eine rote Rose zum Beispiel sendet ganz offensichtlich Strahlung aus, die nur die Zäpfchen anspricht, die für „Rotsehen“ verantwortlich sind. Das auf die Blume einfallende Licht ist jedoch ganz offensichtlich weiß. Also muss die Rose den Anteil an „nichtrotem“ Licht beim Zurückwerfen verschluckt haben. Diese Eigenschaft, die bei fast aller bekannten Materie zu beobachten und zu messen ist, führt zu einer ganz charakteristischen „Körperfarbe“ der jeweiligen Materie. Die Wissenschaft ist heute dank dieser Tatsache in der Lage, mit Hilfe der Spektren des von einem Objekt reflektierten Lichtes (man nennt sie Remissions-Spektren, im Unterschied zu Emissions-Spektren bei selbststrahlender Materie) dieses Objekt genau zu analysieren.

Reflektiert ein Material zum Beispiel den gesamten Bereich der sichtbaren Strahlung, bezeichnen wir es als „weiß“. Verschluckt dieses Material die Hälfte der Intensität – nicht der Frequenzen! –, empfinden wir es als grau und reflektiert es gar keine der einfallenden Lichtstrahlen, ist es schwarz –oder besser: es ist nicht zu sehen.

Die „richtige“ Körperfarbe können wir nur dann wahrnehmen, wenn „richtiges“ weißes Licht auf diesen Körper fällt.

Eine Besonderheit, die gerade in der Praxis des Farbenmischens eine große Rolle spielen kann, soll hier noch erklärt werden. Die Rede ist von den sogenannten „metameren“ Farben. Dies sind Farben, die unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel einer bestimmten Beleuchtung, gleich aussehen, aber dennoch unterschiedliche Spektren aufweisen. So kann zum Beispiel Licht mit einer monochromatischen (einfarbigen) Wellenlänge genau die gleichen Farbempfindungen hervorrufen, wie Licht mit einem Mischspektrum.

Das ist der Grund, dass beim Mischen von gleichfarbig erscheinenden Pigmenten, wenn diese nicht die gleiche chemische Zusammensetzung haben, unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Gottseidank hat sich die Farbindustrie jedoch darauf verständigt, für Grundfarben und Mischfarben erster Ordnung gleiche Pigmente zu verwenden. Oder zumindest Materialien, die ein annähernd gleiches Remissionsspektrum ausstrahlen. Bei ausländischen Farben ist das jedoch nicht immer garantiert – und sollten Sie einmal beim Mischen zweier gleich erscheinender Farben verschiedene Ergebnisse erhalten, kann das an dem oben erklärten Phänomen der metameren Farben liegen.

Körperfarben und ihre Eigenschaften

Zum Schluss unseres heutigen Ausfluges in die Farbentheorie noch ein paar grundsätzliche Überlegungen zu den Körperfarben. Sie sind zum leichteren Verständnis der Mischtheorie – und da wollen wir letztlich ja hin – sehr wichtig.

Man unterscheidet allgemein zwischen deckenden und lasierenden (nicht deckenden) Körperfarben. Die meisten Farben, die auf der Basis von Pigmenten hergestellt werden, sind deckend. Wir verwenden sie normalerweise, um eine vorhandene Farbe – auch Weiß und Schwarz eingeschlossen – mit einer anderen abzudecken. Das Remissionsspektrum von deckenden Farben ist ganz klar spezifiziert. Ganz egal, wie oft diese Farben übereinander aufgetragen werden, ab einer bestimmten Stärke der Farbschichten ändern sie ihr Aussehen nicht mehr.

Im Gegensatz dazu stehen die lasierenden Farben. Bei ihnen wird das einfallende Licht nicht von der Oberfläche zurückgeworfen, sondern dringt durch die einzelnen Schichten bis zu einer undurchsichtigen Schicht – zum Beispiel dem Papier – und geht dann den gleichen Weg wieder zurück, ehe es vom Betrachter wahrgenommen werden kann. Es ist leicht verständlich, dass dabei umso mehr Energie absorbiert wird, ja mehr Farbschichten übereinander aufgetragen werden. Lasierende Farben ändern also ihre Farbigkeit zu Schwarz – man könnte besser sagen zu „Null-Reflektion“ – hin, bei wiederholtem Farbauftrag.

Wichtige Kriterien für Farbe in der Praxis sind natürlich auch noch ihre Lichtechtheit und ihre Lackierfähigkeit. Unter Lichtechtheit verstehen wir die Fähigkeit, selbst unter ungünstigen äußeren Einflüssen, wie starker UV-Einstrahlung, die ursprüngliche Körperfarbe beizubehalten. Und unter Lackierfähigkeit, dass Farben sich beim Lackieren mit einem Schutzlack nicht verändern. Die beiden letzten Punkte sind für das reine Mischen nicht so relevant.

Ein Versuch

Wenn Sie sich bis hierher vorgekämpft haben, brummt Ihnen wahrscheinlich der Kopf. Oder Sie sehen farbige Sternchen. Bevor wir in der nächsten Folge tiefer in die Praxis einsteigen, können Sie sich bei ein paar kleinen Tests wieder entspannen. Probieren Sie doch mal aus, was passiert, wenn zwei verschiedene Grundfarben in unterschiedlicher Schichtdicke übereinander gespritzt werden.

Abbildung 5Abbildung 6Abbildung 7

Solche Mischtafeln sind kein „Firlefanz“, sondern unbedingt wichtig, um das eigene Gefühl für Farbe zu trainieren. In unserem Beispiel haben wir die Grundfarben Magentarot und Cyanblau verwendet Wir haben zwei Farbverläufe gespritzt, deren Verlaufsrichtung (von hell nach dunkel oder umgekehrt) genau rechtwinklig zueinander stehen. Das Ergebnis sind vier verschiedene Töne. Wir bezeichnen Sie als die vier Ecken eines bestimmten „Farbenraumes“. Probieren Sie das bitte auch schon mal mit den anderen Grundfarbenkombinationen und heben Sie sich Ihre Farbtafeln auf.

In der nächsten Folge werden wir Ihnen dann die Gesetzmäßigkeiten beim Farbmischen erklären und wie diese anzuwenden sind.