Technical Art
Das Interview aus Ausgabe 1/87
Das Illustratoren-Team Norbert Schäfer/Ludwig Eberl
Der Name ihrer Firma ist gleichzeitig der Oberbegriff der Kunstrichtung, für die ich die Arbeiten von Ludwig Eberl und Norbert Schäfer ausgesucht habe. Technische Kunst in Perfektion kommt eben nicht nur aus Japan und England, sondern auch aus Deutschland.
Ludwig Eberl, Jahrgang 1929, und Norbert Schäfer, Jahrgang 1940, arbeiten bereits seit über zwanzig Jahren zusammen. Und auch die Liebe zu ihren Motiven verbindet sie. Sicher muss man mehr als nur ein wenig „autoverrückt“ sein, um solche Werke zu schaffen, wie sie auf den folgenden Seiten zu bewundern sind.
Als ich das Studio in Dietzenbach bei Frankfurt besuchte und zum ersten Mal die Original-Illustrationen begutachten konnte, war ich beeindruckt. Diese Perfektion in der Ausführung erlebt man wirklich nicht alle Tage.
Beide Künstler sind von Haus aus gelernte Positiv-Retuscheure. Selbst wenn man, wie ich, ihre Arbeiten einmal unter dem Fadenzähler betrachtet, findet man kaum Schnittkanten oder andere Mängel. An diesen Arbeiten kann man sehr deutlich sehen, welch gute Basis die Lehre zum Retuscheur für den Illustrator bilden kann.
In ihrem jeweiligen beruflichen Werdegang folgten dann Studienkurse an den Kunsthochschulen von Offenbach und Stuttgart. Nach einigen weiteren Zwischenstationen in verschiedenen Firmen, trafen sie zum ersten Mal 1965 persönlich aufeinander – und arbeiteten von da an zusammen.
1976 gründeten sie dann die Firma Technical Art. Unter diesem Namen erlangten ihre Illustrationen weltweite Anerkennung. Wahrscheinlich haben sie sogar die Entwicklung in der technischen Darstellung in Japan in nicht unerheblichem Maße beeinflusst.
Norbert Schäfer erzählte mir bei unserem Gespräch, dass noch Ende der Siebziger Jahre die japanische Autoindustrie zu ihren größten Kunden gehörte. Erst als auch die japanischen Künstler auf diesem Gebiet von sich reden machten, wurden solche Aufträge in Japan selbst vergeben.
„Wie kann man ähnliche Perfektion erreichen?” war in unserer Unterhaltung eine meiner ersten Fragen. Die Erklärungen von Norbert Schäfer gerade zu diesem Aspekt, aber auch zu einigen anderen Themen, möchte ich Ihnen im Folgenden gerne weitergeben.
Norbert Schäfer: Nun ja, diese Arbeiten sind das Ergebnis von vielen Jahren Erfahrung. Für den Anfänger sollten sie mehr oder weniger eine Orientierungshilfe sein. Man sollte nicht den Fehler begehen und zu viel von sich zu verlangen, wenn man eigentlich noch unterwegs zu einem Fernziel „Perfektion“ ist. Bei mir war das nicht anders. Bis ich so weit war, wie ich’s heute bin, waren so viele Schritte, so viele Stufen zu nehmen, dass ich schnell frustriert gewesen wäre, wenn ich gleich zu hohe Ansprüche an mich gestellt hätte. Die hätte ich höchstwahrscheinlich doch nicht von Anfang an befriedigen können.
Wenn ich so zurückblicke, würde ich sagen, dass ich wohl zehn oder fünfzehn Jahre immer dazugelernt habe. Selbst die kleinsten und einfachsten Aufgaben haben meine Erfahrungen vergrößert. Meinem Partner, Ludwig Eberl, ging es da nicht anders. Wir haben schon unsere Zeit gebraucht, bis wie so weit waren.
Ich bin überzeugt, vieles an meinen Bildern hätte vor zehn Jahren anders ausgesehen. Einfach weil meine Illustrationstechnik noch nicht so gut entwickelt war.
Airbrush-Zeitung: Wo holen Sie denn die ganzen Informationen zu diesen Bildern her? Aus technischen Zeichnungen, die Sie von Ihren Auftraggebern bekommen, oder haben Sie Fotos? Vielleicht Original-Modelle?
Norbert Schäfer: Ganz unterschiedlich. Ich würde sagen: von allem ein bisschen.
Airbrush-Zeitung: Und Sie konstruieren zum Beispiel die Perspektivzeichnungen selber?
Norbert Schäfer: Ja. Natürlich nicht immer, aber doch meistens. Manchmal wird auch schon sehr gut vom Hersteller vorgearbeitet.
Bei der Darstellung der Fotokamera (siehe Titelbild, die Redaktion.) hatten wir erst mal – natürlich – ein Original zur Verfügung gestellt bekommen. Aber einige Teile davon wurden eben auch schon als Schnittmodelle geliefert, so dass man also in das Innere hineinsehen konnte. Da konnten wir erkennen, wie die Materialien und auch die Technik beschaffen waren. Auf einer reinen technischen Zeichnung könnte man natürlich jedes Detail erkennen. Aber es gibt dabei so viele Überschneidungen, dass man schon mit einer Unmasse von Detailzeichnungen arbeiten musste.
Machbar ist rein theoretisch sicherlich alles – nur, ist das dann auch noch realistisch? In solchen Fällen schneidet man dann schon mal ein Original auseinander. Umso sicherer wird man in der Ausarbeitung. Gerade der Zeitfaktor ist bei komplizierten und komplexen technischen Darstellungen häufig höher anzusetzen, als die Kosten für ein zersägtes Modell.
Die Arbeit ist trotzdem noch schwierig genug.
Airbrush-Zeitung: Ich könnte mir vorstellen, dass gelegentlich die Informationen, die Sie von Ihren Kunden über die zu illustrierenden Objekte erhalten, nicht ganz ausreichen.
Wo füllen Sie in solch einem Fall die Wissenslücken auf? Haben Sie eine umfassende Fachbibliothek oder sind Sie Stammkunden in technischen Museen?
Norbert Schäfer: Beides. BMW hat zum Beispiel ein Automuseum. Als wir für diesen Kunden gearbeitet haben, haben wir uns dort schon mal ein paar Informationen geholt.
Airbrush-Zeitung: Kommen wir zurück zu Ihren Bildern. Arbeiten Sie immer auf diesem dicken, kaschierten Reinzeichenkarton, oder auch schon mal „scannergerecht” auf 250 g-Karton?
Norbert Schäfer: Nein. Nur auf dem dicken. Für uns ist es am wichtigsten, eine feste Basis, einen festen Grund für unsere Arbeit zu haben. Alles andere wird dem untergeordnet.
Wenn eine Illustration reproduziert werden soll, lassen wir eben Dias anfertigen. Das ist doch heutzutage so einfach und geht ziemlich schnell.
Airbrush-Zeitung: Mit fällt auf, dass Sie bei Ihren Bildern recht interessante Lichter setzen.
Norbert Schäfer: Das passiert ganz bewusst. Das Thema Technik ist trocken genug. Wir versuchen durch die Verteilung von Hell und Dunkel ein wenig mehr Dynamik und Tiefe reinzubringen.
Und nicht selten wählen wir auch Farb- und Lichteffekte, die rein sachlich vielleicht nicht ausreichend zu motivieren sind. Aber um die Stimmung, die Anmutung zu verbessern, scheint uns dieses gestalterische Mittel durchaus erlaubt.
Airbrush-Zeitung: Wie lange arbeiten Sie an einem Bild wie dem BMW-Rennwagen?
Norbert Schäfer: Na ja, da kann man schon so zweihundert, zweihundertfünfzig Stunden ansetzen. Irgendwo steckt einem dieser recht große Zeitbedarf dann aber auch seine Grenzen.
Airbrush-Zeitung: Wofür treiben Ihre Kunden solchen Aufwand? Anders gefragt, wie verwenden Sie Ihre Illustrationen?
Norbert Schäfer: Überwiegend natürlich für die Werbung. Für Anzeigen, Prospekte oder auch für Messegestaltung. Das Kugellager, das Sie als Beispiel ausgesucht haben, gehört zu einer Serie für einen Messestand.
Aber es kommt auch sehr oft vor, dass Zeitungsartikel damit unterlegt werden. Fast in der gesamten Fachpresse war irgendwann einmal die eine oder andere unserer Arbeiten zu sehen.
Airbrush-Zeitung: Von den Motorrädern, die Sie dargestellt haben, sind mir vor einiger Zeit auch ein paar Kunstdrucke in die Finger geraten. Machen Sie solche Arbeiten denn auch „just for fun?”
Norbert Schäfer: Dabei handelt es sich ebenfalls eine ganze Serie. Wir wollten nur das Motiv „Motorrad“ einmal nicht nur technisch, sondern auch in einem interessanten Umfeld darstellen.
Das waren drei Modelle, die wir in einer limitierten Auflage, sehr aufwendig ausgestattet, in 9 Farben gedruckt auf den Markt gebracht haben.
Es war der Versuch, auch einmal andere Wege zu gehen, als den über Auftrag, Arbeit, Rechnung, Ende. Wir wollten da einfach freier arbeiten. Später haben wir dann von vielen unserer Bilder Poster gemacht oder machen lassen.
Airbrush-Zeitung: Lassen Sie mich noch ein anderes Thema anschneiden. Haben Sie eine Vorliebe für bestimmte Farben?
Norbert Schäfer: Früher haben wir überwiegend mit Tempera gearbeitet. Das hat sich aber inzwischen geändert. Heute nehmen wir mehr Acryl. Trotzdem kommt aber auch Tempera noch zum Einsatz. Unsere Technik lässt sich mit deckenden Farben einfacher realisieren.
Airbrush-Zeitung: Letzte Bitte: Schildern Sie doch kurz den Arbeitsablauf für eines der Autobilder.
Norbert Schäfer: Das ist eigentlich bei allen Bildern immer wieder gleich. Zuerst wird Referenzmaterial gesammelt. Da wird eine Unzahl von Fotos geschossen. Vom gesamten Auto genauso wie von den meisten wichtigen technischen Details. Außerdem benötigen wir natürlich auch die Konstruktionszeichnungen, soweit sie vorhanden sind.
Das passiert auch schon mal ganz im Geheimen, denn wir bekommen solche Aufträge, ehe die Fahrzeuge überhaupt auf dem Markt eingeführt werden.
Haben wir dann das ganze Material, geht’s los mit Zeichnen. Auf Transparentpapier planen wir die gesamte Darstellung. Alle Einzelheiten, die zum Beispiel durch Schnitte sichtbar sind, müssen jetzt schon ziemlich genau geplant und zum Teil festgelegt werden.
Und bevor wir schließlich die endgültige Illustration beginnen, muss alles mit dem Kunden abgestimmt sein. Technische Fehler dürfen ab dieser Phase möglichst nicht mehr auftreten, denn sie wären nur mit einem kaum noch zu vertretenden Aufwand zu reparieren.
Die Basiszeichnung übertragen wir danach auf den Zeichenkarton. Von da ab kommt die Farbe ins Spiel. Flächen und Verläufe werden gespritzt, kleine und kleinste Details auch mit dem Pinsel gemalt.
Das ist eigentlich schon alles. Manche Arbeiten in der Vorbereitungsphase lassen wir heute aber von qualifizierten Mitarbeitern ausführen. Im Laufe der Jahre ist unser Studio personell ja gewachsen.
Airbrush-Zeitung: Zumindest die letzte Phase scheint ganz leicht zu sein. Herzlichen Dank, Herr Schäfer.