Der Perleffekt
Glanzleistung im Autolackdesign:
Faszinieren lassen sich die Menschen leicht, besonders durch ungewöhnliche Dinge und Erscheinungen. Ungewöhnlich heißt, dass den menschlichen Sinnesorganen reizvolle Signale zugehen.
Von den Sinnesorganen ist es besonders das Auge, welches sich durch ungewöhnliche Erscheinungen „blenden“ lässt. Als Empfangsorgan für Lichtstrahlungen gibt es im Vergleich zu den anderen Sinnesorganen die meisten Daten an das Gehirn, wo sie verarbeitet werden.
Lichtstrahlen, die für das menschliche Auge sichtbar sind, besitzen Wellenlängen in einem sehr kleinen und engen Bereich. Wellenlängen außerhalb dieses Bereiches können nicht wahrgenommen werden. Hauptlieferant dieser Lichtstrahlen ist die Sonne, die uns jeden Tag wieder erscheint. Dass wir nicht nur ihr weißes Licht sehen und empfinden, liegt an den Manipulationen, die ihr Licht auf dem Weg zum Auge erfährt. Weiß bedeutet, dass Lichtstrahlen aller Wellenlängen auftreten und gemeinsam die Empfindung im Auge auslösen. Wird ein Teil des weißen Lichtes von einem Körper absorbiert, so wirkt der Rest im Auge blau, grün, gelb, rot, usw.
Neben dieser relativ einfachen Manipulation am Licht, passieren auch solche, die nicht so einfach zu verstehen und zu erklären sind.
Zu verstehen ist, dass ein rotes Auto normalerweise immer rot aussieht, auch wenn das menschliche Gehirn manchmal etwas nachhilft. Wenn dieses rote Auto aber seine Farbe von einem Moment auf den anderen wechselt, so grenzt dieses Phänomen für viele Menschen schon an Zauberei. In früheren Zeiten, als die Menschen noch nicht so ruhe- und rastlos waren, haben sie sich mit derartigen Phänomenen intensiver auseinandergesetzt. Heutzutage, da die modernen Wissenschaften alles erklären wollen, müssen die Phänomene stärkere Geschütze auffahren, um sich bemerkbar zu machen.
Andererseits bringen die modernen Wissenschaften mit ihren Erklärungen die Vorteile, um Phänomene in den Griff zu bekommen. Das heißt im Prinzip nichts anderes, als sie nicht nur der Natur zu überlassen.
Eines dieser Phänomene hat die Menschheit schon seit jeher fasziniert: das Farbenspiel der Perlmuscheln und der Perlen. Wer eine solche Muschel in die Hand nimmt, ist erstaunt, welches Spiel sie mit dem Licht treibt. Wechselnde Farben mit hohem Glanz schillern auf ihrer Oberfläche. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieses Phänomen die Menschen schon immer gereizt hat. Gesehen haben sie es nicht nur bei den Muscheln, auch Vogelfedern, Käfer und Fische beispielsweise als Lebewesen zeigen diesen Effekt. Steine wie die Opale haben ebenso zu dieser Faszination beigetragen. Der Wunsch, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen, rückt näher, als im 17. Jahrhundert ein französischer Knopfmacher hergeht, die silbrige Substanz aus Fischschuppen auszuwaschen. Mühselig ist es aber, diese Substanz herzustellen, die er unter dem Namen Essence d’Orient verkauft. Ein Kilo Fisch ergibt lächerliche 0,25 g Fischsilber. Nichtsdestotrotz bleibt die Faszination für diesen Effekt sehr groß.
Groß bleiben auch die Versuche, den Effekt künstlich zu erzeugen. Erst seit 1960 gibt es die heutige Art der Pigmente, die den Effekt nachempfinden. Und inzwischen werden sie in vielen Bereichen eingesetzt, um ihre Wirkung zu entfalten. Naheliegend ist, dass die kosmetische Industrie ihre Kunden und Kundinnen hiermit effektvoll auf Trab bringt. Kunststoffe und Lacke gehören ebenfalls zu den Anwendungsbereichen; bei den letzteren insbesondere die Autolacke.
Der abgebildete MAN-Lastzug zeigt eine Kombination von Autolacken, Planen und Siebdruckfarben im Perleffekt: Die Autolacke verschönern mit dem Effekt das Fahrerhaus, die Plane ist direkt beim Hersteller mit den Pigmenten beschichtet worden und die zusätzlichen Streifen auf den Planen sind mit Perleffekt – Siebdruckfarbe angesetzt. Die Kombination erzeugt beim Betrachter die Faszination und Bewunderung: Fährt das Fahrzeug an ihm vorbei, so wechselt es seine Farben – ein Augenschmaus also, der das Farbenspiel der Perlmuschel perfekt nachempfindet.
Die Frage ist natürlich, was passiert da, wie funktioniert es und wie sehen die Substanzen aus? Es sind ja nicht tonnenweise Fische ausgewaschen oder entsprechende Mengen Perlmuscheln zerschlagen und zerkleinert worden, um diesen Lastzug zu gestalten!
Um diese Frage zu beantworten, muss man ein kleines bisschen in den Bereich der Physik schauen.
Dort ist das Phänomen unter dem Stichwort Interferenz eingeordnet. Hiermit wird beispielsweise auch das schillernde Farbenspiel von Öl auf einer Wasseroberfläche beschrieben. Dabei liegt die Substanz mit einem starken Brechungsindex auf einer mit einem weniger starken. Bei den künstlichen Perleffekt-Pigmenten handelt es sich um Glimmerplättchen, einer anorganischen Substanz, welche als Mineral abgebaut wird. Diese Plättchen sind optisch indifferent, d. h. sie beeinflussen das Licht nicht. Auf sie ist eine Schicht TiO2 aufgetragen. Das ist Titandioxid, welches in drei Modifikationen auftritt. Eine hat sich als witterungsbeständig erwiesen und wird für die Herstellung der Pigmente eingesetzt. Das Titandioxid besitzt einen starken Brechungsindex und kann die einfallenden Lichtstrahlen folgendermaßen manipulieren: An der Oberfläche des mit TiO2 beschichteten Glimmerplättchens wird ein Teil der Lichtstrahlen reflektiert, der restliche wandert unter Brechung durch die TiO2-Schicht. An der Grenzfläche zwischen dieser Schicht und dem Glimmerplättchen wird wiederum ein Teil reflektiert. Er verlässt die TiO2-Schicht parallel zum ersten reflektierten Teil. Beide Teile können nun miteinander in Aktion treten. Dabei kommt es zur Verstärkung oder Verminderung der Lichtwellen. Das Resultat kann unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Auge beobachtet werden, und zwar als eine eindeutig definierbare Farbe. Zu den Voraussetzungen gehören die Winkel der einfallenden Lichtstrahlen und der Betrachtung sowie die Schichtstärke des TiO2. Sie entscheidet über die Farbe der reflektierten Anteile. Man kann feststellen, dass sich mit steigender TiO2-Schichtstärke die Farbeindrücke von Weiß über Gelb, Rot, Blau nach Grün ändern (Abb. 1).
Der restliche Lichtanteil, der an keiner Grenzschicht reflektiert wurde, verlässt das Plättchen mit einer Farbe, die komplementär zur Reflektionsfarbe ist. Zu beobachten ist sie beispielsweise vor einem weißen Hintergrund, allerdings ist ihre Stärke sehr gering.
Das physikalische Phänomen der Interferenz lässt sich also auch als Lichtteilung beschreiben, und zwar in die Teilung der einfallenden Lichtstrahlen in die Reflektions- und in die Transmissionsfarbe.
Aus der Abhängigkeit des Betrachtungswinkels ergibt sich, dass die Perleffekt-Pigmente sozusagen zwei verschiedene Gesichter besitzen. Einmal reflektieren sie die erwähnten Lichtstrahlen in einer bestimmten Farbe, das andere Mal blickt man durch sie auf den Untergrund, auf dem sie liegen. Der Effekt setzt sich also aus einem Komplex zusammen, der aus der eigentlichen Effektschicht und der Farbe des Untergrunds gebildet wird. Wie dieser zu beeinflussen ist, zeigt die Zusammenstellung der folgenden Punkte:
A. Untergrund
Die Farbe des Untergrundes spielt eine große Rolle, da sie in allen Winkeln zu beobachten ist, wo die Reflektionsfarbe nicht erscheint. Man kann feststellen, dass der Effekt stärker erscheint, je dunkler diese Farbe ist. Auf weißem Untergrund, der normalerweise oft eingesetzt wird, ist der Effekt am geringsten. Dagegen ist er auf schwarzem Untergrund am stärksten. Zu beachten ist aber bei einem schwarzen Untergrund, dass eine ungetrübte Durchsicht nicht möglich ist. Es zeigt sich hier ein milchiger Schimmer auf der Oberfläche. Zu empfehlen ist daher, anstelle einer schwarzen Untergrundfarbe eine dunkelgraue wie beispielsweise bei dem MAN-Lastzug zu wählen.
Als Farbe kann prinzipiell jede für den Untergrund gewählt werden. Je intensiver sie ist, desto stärker ist die Konkurrenz zur Reflexionsfarbe. Gebrochene Farben lassen dagegen die Reflektionsfarbe stärker brillieren.
B. Effektschicht
Variationen in der Reflektionsfarbe ermöglicht eine Änderung der TiO2-Schichtstärke auf dem Glimmerplättchen. Neben dem TiO2 lassen sich auch andere Oxide auf die Plättchen auftragen, entweder alleine oder in Kombination mit TiO2. Die letztere Version ergibt die sogenannten Kombinationspigmente, wobei auf die TiO2-Schicht zusätzlich Fe2O3 (Eisenoxyd, Abb. 2) aufgetragen ist. Wiederum in Abhängigkeit von den Schichtstärken erhält man so Pigmente mit goldbrauner Farbrichtung. Setzt man das Fe2O3 alleine auf die Glimmerplättchen, so erscheinen die Farben in Richtung Bronze, Kupfer und Rot.
Eine andere Möglichkeit, die Effektschicht farblich zu beeinflussen, ergibt sich aus der Kombination mit absorbierenden Pigmenten. Das sind die normalen Farbpigmente, die neben die Perleffekt-Pigmente gelegt werden. Die Zugabe dieser Pigmente ist allerdings begrenzt, wenn der Perleffekt nicht unterdrückt werden soll. Erzeugt wird durch diese Kombination ein pastellfarbener und metallischer Charakter.
Grau ist alle Theorie, so heißt es, und deshalb soll in den weiteren Ausführungen mehr Farbe und Leben ins Spiel kommen. Viele Fragen sind bis hierher aufgekommen, wobei zwei die wichtigsten sein dürften: Kann man spritzbare Materialien mit diesen Perleffekt-Pigmenten kaufen und wie werden sie verarbeitet?
Zur Beantwortung der Fragen sollen im weiteren zwei Systeme vorgestellt werden, deren Einsatz jeweils einen bestimmten Schwerpunkt besitzt. Gemeinsam ist beiden Systemen, dass sie für und auf Autos eingesetzt werden können. Das eine System liefert die Fa. Schmincke als Gouache, das andere das Volkswagenwerk als Effektlack (Abb. 3). Verarbeitet werden beide Systeme ähnlich, wobei eine Untergrundfarbe vorgegeben ist oder vorgespritzt wird. Die effektgebende Schicht wird ebenfalls aufgespritzt, entweder als wasserverdünnbare Gouache oder als Basislack eines 2-Schicht-Lacksystems. Bei beiden Systemen dient eine abschließende Lackierung mit 2K-Klarlack als Versiegelung der Effektschicht.
1. Schmincke
Angeboten werden zwölf Perleffekt-Pigmente als Gouachen in 20 ml-Tuben. Sie werden mit Wasser aufbereitet und sind wie die normalen Gouachen nach dem Trocknen nicht wasserfest. Aufgetragen werden sie vorteilhaft mit Spritzpistolen mit 0,3-0,5 mm-Düsen.
Übersicht der Gouachen m. Art.-Nr. weiße TiO2-Pigmente
- Glanzsatin (fein): 21811
- Silber (mittel): 21881
- Leuchtperl: 21812
Farbige TiO2-Pigmente
- Brillantgelb: 21821
- Perlrot: 21832
- Perllila: 21841
- Perlblau: 21842
- Perlgrün: 21851
TiO2/Fe2O3-Kombinationspigmente
- Goldperl: 21883
- Glitzergold: 21884
Fe203-Pigmente
- Bronze: 21886
- Rot: 21831
Das Einsatzgebiet dieser Gouachen liegt in ausgefallenen und individuellen Spritzarbeiten. Als Vorlage zum Fotografieren, für Drucke usw. sind sie nicht geeignet, da entsprechende Pigmente hierbei fehlen. Speziell für den Bereich des Autolackdesigns sind sie hervorragend für das illustrative Spritzen einzusetzen. Dabei empfiehlt sich im allgemeinen folgender Ablauf beim Gestalten eines Motorradtanks, einer Motorhaube oder eines Fahrzeuges: Soweit die Farbe der Serienlackierung nicht gefällt, wird das Teil oder das Fahrzeug umlackiert, wobei auch Perlmutt-Effektlacke zum Einsatz kommen können. Die Lackschicht, bei Metallics und Perlmutt-Effektlacken ist es die darauf liegende Klarlack-Schicht, wird nass mit feinstem Schleifpapier angerauht.
Man spritzt die wasserverdünnten Farben wie gewohnt trocken auf. Als Tipp möchte ich weitergeben, diese Perlglanz-Gouache (Abb. 4) auch einmal mit Bindemittel zu versetzen. (Gouache-Aero-Fließmittel Nr. 50302). Die Gouache wird hiermit geschmeidiger, was sich positiv auf die Ausrichtung der Pigmente auswirken kann. Eigene Versuche sind auf jeden Fall angebracht.
Um die Spritzarbeit auf dem Fahrzeug oder dem Fahrzeugteil zu schützen, versiegelt man sie mit 2Komponenten-Klarlack (Volkswagen ALN 769 000), der mit Härter (VW ALZ 009 00) und Verdünnung spritzfertig eingestellt wird. Durch den hohen Glanzgrad des Klarlackes kann sich der Farbeindruck geringfügig ändern, was in den meisten Fällen aber unbedeutend ist. Die vorgestellten theoretischen Grundlagen zeigen für die Perlglanz-Gouache Möglichkeiten auf, farbliche und effektvolle Reize fürs Auge zu schaffen. Deshalb sollte man grundsätzliche Versuche vor den eigentlichen Arbeiten mit diesen Gouache durchführen. Auf diese Weise lernt man die Wirkungsweise der Pigmente sehr gut kennen. Einige Beispiele seien deshalb vorgestellt:
1. Beispiel
Da die Perlpigmente lasierend, also durchscheinend sind, beginnt man den Einfluss der Untergrundfarbe zu testen. Man spritzt auf einer rechteckigen Fläche einen Verlauf von Weiß bis Schwarz (Abb. 5). Hierfür eignen sich sowohl die Aerocolor- als auch beispielsweise die Gouache-Farben der Reihen 12 und 25.
Bei diesem Verlauf spritzt man eine farbige Perlglanzgouache (Abb. 6). Man erkennt deutlich, dass sich zum schwarzen Untergrund hin der Effekt immer stärker entfaltet. Man achte aber darauf, dass man nicht eine zu hohe Schichtstärke spritzt. Diese Gefahr besteht schnell bei einem weißen oder hellen Untergrund. Liegen nämlich zu viele der Perleffekt-Plättchen übereinander, treten viele ungewollte Reflektionen in der Effektschicht auf. Sie decken auch den Untergrund ab, so dass es schwieriger wird, seine Farbe deutlich zu sehen.
2. Beispiel
Um die einzelnen Reflektionsfarben kennenzulernen, spritzt man alle Gouache auf. Zweckmäßiger-weise legt man die Flächen zur Hälfte in Schwarz vor; auf diese Weise hat man den Vergleich zwischen dem Einfluss eines weißen und schwarzen Untergrundes.
3. Beispiel
Mit den farbigen TiO2-Gouache lassen sich Kombinationen mit einem gleich- oder andersfarbigen Untergrund bewerkstelligen. Als Untergrund spritzt man intensive und auch gebrochene Farben vor; darüber legt man verschiedene Perlglanz-Gouache (Abb. 7). Als Ergebnis erhält man aufregende Farbenspiele, mit denen jedermann zu faszinieren ist.
4. Beispiel
In der Effektschicht kann die Wirkung der Perlglanz-Gouache beeinflusst werden durch Mischen mit Aerocolor- oder Gouache-Farben. In erster Linie eignen sich hierfür die weißen TiO2-Gouache, wobei die Zugabemenge gering gehalten werden sollte. Dem Färben der reinen Fe2O3- und den Kombinations-Gouache sind aufgrund des Farbcharakters relativ enge Grenzen gesetzt.
Wer diese Beispiele selbst ausgeführt hat, erkennt schnell, welche Möglichkeiten in den Perlpigmenten stecken. In den Spritzarbeiten lassen sie sich auch bei Details einsetzen, also in Kombination mit Unifarben.
Will man größere Flächen auf einem Fahrzeug oder das ganze Fahrzeug mit Perleffekten versehen, so wird dieser zweckmäßigerweise auflackiert. Die Lacksysteme, die hierfür eingesetzt werden, sind als 2-Schicht-Systeme aufgebaut. Vergleichbar mit den 2-Schicht-Metallics wird zuerst die effektgebende Schicht aufgespritzt, die nach dem Abziehen der Lösungsmittel mit 2K-Klarlack versiegelt wird. Die Lösungsmittel sind dabei nach etwa 14 min abgezogen; die matte Effektschicht erhält durch den Klarlack ihren Glanz.
Die beiden Systeme beinhalten folgende Unterschiede bei gleichem Effekt: Die Perlglanz-Gouache werden mit Wasser angesetzt und mit einer Spritzpistole mit einer 0,3 mm Düse bei 1,5-2,0 bar gespritzt. Die Perlmutteffektlacke besitzen organische Lösungsmittel; die notwendige Spritzpistole hat normalerweise eine 1,4 mm-Düse und benötigt einen Luftdruck von 4 bar.
2. Volkswagen
Das Volkswagenwerk bietet über sein Ersatzteilprogramm auch Perlmutt-Effektlacke an, die in 1 l-Dosen abgefüllt sind. Die Effekte werden durch TiO2-Pigmente erzielt, die Reflexionsfarben zeigt die Übersicht.
Übersicht der Lacke mit Art.-Nr.: Perlmutteffektlack
- Weiß Le 009 100
- Gelb LE 001 100
- Rot LE 003 100
- Blau LE 006 100
- Grün LE 007 100
Die Effekte der Perlpigmente zeigen sich in den Lacken entsprechend. Um einen Einblick in den Umgang mit dem Lacksystem zu bekommen, sollen zwei Lackierabläufe auf Golf-Motorhauben vorgestellt werden. Die eine Gestaltung zeigt den Einfluss der Untergrundfarbe (Abb. 8), die andere setzt Mischungen der Perlmutteffektlacke mit Farbstofflösungen ein:
1. Beispiel
Beide Gestaltungen sind erstens so angelegt, dass sie einen hohen Informationswert besitzen und dass sie in sehr kurzer Zeit realisiert werden können.
Die alpinweiße Serienlackschicht wird nass angeschliffen und mit Silikonentferner gereinigt. Da weiße Linien zwischen den Farbflächen stehen bleiben, können alle Klebearbeiten mit den Linienbändern zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Man benutzt hierfür selbstklebende Linienbänder, deren Breite zweckmäßigerweise für die Gestaltung übernommen wird. Begonnen wird mit dem Aufkleben der diagonalen Linie zwischen den Ecken der Motorhaube. Parallel dazu setzt man vier weitere Linienbänder mit gleichem Abstand auf. Von den senkrechten Anfangspunkten dieser vier Streifen verlaufen zusätzliche in waagerechter Ausrichtung. Lackiert wird zuerst die große dreieckige Fläche in Dunkelgrau (Abb. 9), die anderen Flächen werden hierbei mit Papier zugedeckt.
Um die Lacke in kurzen Zeitabständen aufspritzen zu können, werden die 2K-Acryllacke nicht wie üblich mit Härter und Verdünnung versehen. Mit dem Zusatzmittel VW-Additiv (ALN 776 001 13) werden diese Lacke in 2-Schicht-Systeme umgewandelt. Ähnlich den 2-Schicht-Metallics müssen sie mit Klarlack versiegelt werden. Der Vorteil dieser Umwandlung liegt in den kurzen Trockenzeiten der Lacke. Normale Acryllacke benötigen eine Trocknungszeit von 30-40 min bei 60° C. Die umgewandelten Lacke sind bei Raumtemperatur nach 10-15 min so weit trocken, dass auf ihnen wieder abgeklebt werden kann.
Auf diese Weise lassen sich die drei grauen, die gelbe, die rote und die blaue Fläche zügig lackieren (Abb. 10). Man entfernt danach die Klebebänder und das Papier, um anschließend über die gesamte Motorhaube grünen Perlmutteffektlack zu spritzen.
Bei den Perlglanz-Gouache habe ich den Vorschlag gemacht, diese mit einem Bindemittel (Fließmittel) zu versetzen. Die gleiche Empfehlung gebe ich für den Perlmutt-Effektlack. In den Originaldosen ist die Konzentration der Perlpigmente relativ hoch, so dass beim Spritzen Schwierigkeiten mit der Ausrichtung der Pigmente auftreten können. Man versetzt den Perlmutt-Effektlack mit dem Additiv (ALN 775 001 13), wobei man 1 Teil Effektlack mit 4 Teilen Additiv „verdünnt“. Anstelle des Additivs kann auch eine fertige Mischung aus 2K-Klarlack und kurzem Härter genommen werden. Den Ansatz spritzt der Lackierer in gewohnter Weise.
Ist das Lösungsmittel nach kurzer Zeit abgezogen, lackiert man die gesamte Golfhaube mit 2K-Klarlack (Abb. 11).
2. Beispiel
Die Perlmutteffektlacke lassen sich mit Lacken aus den Lackmischanlagen bis zu einer etwa 10%igen Zugabe färben. Man erhält metallisch wirkende Pastellfarben (Abb. 12) Will man intensive Farben mischen, so versetzt man die Perlmutteffektlacke mit den Brillanteffektlacken. Bei diesen ebenfalls im VW-Ersatzteilprogramm erhältlichen Effektlacken handelt es sich um Farbstofflösungen. Sie sind lasierend und sehr farbintensiv. Gemischt werden die Perlmutt- mit den Brillant-Effektlacken im Verhältnis 1 : 1, wobei nicht nur der weiße Perlmutt-Lack zum Einsatz kommt. Auf der zweiten Motorhaube sind folgende Farben kombiniert und in dieser Reihenfolge auflackiert:
Perlmutt-Effekt | Brillant-Effekt |
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Nach dem Schleifen und Reinigen wird die Motorhaube zuerst mit silberner Basisfarbe aus dem 2-Schicht-System gespritzt. Sie dient als Grundlage für die Farbschichten und als Farbe für die Zwischenlinien. Die Lösungsmittel sind nach 10-12 min so weit abgezogen, dass mit Linienband die Diagonale (Abb. 13) abgeklebt werden kann Eine Hälfte der Motorhaube bedeckt man mit Papier, die andere wird mit der blauen Farbmischung lackiert (Abb. 14). Das Papier wird danach entfernt und vier Klebebänder (Abb. 15) auf der silbernen Fläche parallel zur Diagonalen so aufgeklebt, dass sich fünf gleichbreite Streifen ergeben. Nach und nach werden die Streifen mit der entsprechenden Farbmischung lackiert (Abb. 16), wobei jeweils die anderen Flächen mit Papier geschützt werden. Am Schluss dieser Lackierung entfernt man die Klebebänder sowie das Abdeckpapier und versiegelt die gesamte Motorhaube mit 2K-Klarlack (Abb. 17).
Effekt hin, Effekt her – beide Systeme, sowohl das Lacksystem von VW wie auch das Gouache-System von Schmincke, beinhalten eine Menge Möglichkeiten, den Perleffekt auf vielfältige Weise nachzuahmen. Wer seinen Motorradtank, seine Motorhaube oder sein ganzes Fahrzeug „perlmuttieren“ möchte, bedenke aber, dass zur Entfaltung des Effektes das Sonnenlicht notwendig ist. Erst dieses lässt die ansonsten unscheinbaren Pigmente in allen Farben erscheinen.
(WRC)