Autolackdesign
Ausgabe 2/86
Die Anwendung der Airbrushtechnik beschränkt sich nicht nur auf den grafischen Bereich. Überall, wo Materialien versprüht werden sollen, setzt man bevorzugt Spritzpistolen ein. Zu den Materialien zählen neben Farben beispielsweise Schokoladensauce, Klebstoffe, Trennmittel, Unterbodenschutz, Zuckerlösungen und Öle.
Ein Gebiet, aus dem die Spritzpistole nicht mehr wegzudenken ist, stellt die Autolackierung dar. Neben den täglichen Spritzarbeiten in der Serien- oder Reparaturlackierung findet die Mehrfarbenlackierung großen Anklang. Ziel der Mehrfarbenlackierung ist es, das Auto mit Farben zu gestalten. Die Ergebnisse kann man in zwei Richtungen einteilen: Auf der einen Seite die bildlich-figürlichen Darstellungen, die dem illustrativen Gestalten entspricht mit dem Auto als Papier oder Leinwand. Eingesetzt werden hierbei sowohl wasserverdünnbare Farben als auch Lacke. Die zweite Richtung beschäftigt sich mit dem geometrisch-flächigen Gestalten. Kanten und Formen des Fahrzeuges können in die Gestaltung einbezogen werden.
Um dem Interesse aus dem Bereich der Autolackierer gerecht zu werden, soll das Thema Autolackdesign ebenfalls in der AIRBRUSH-ZEITUNG seinen Platz finden. Der folgende Streifzug durch den Autolackbereich dient der Einstimmung. Die Spritzpistole war schon 40 Jahre vorher erfunden, aber erst um 1925 kam sie mit den Autolacken zusammen. Vorher wurden die Autos wie die Kutschen mit dem Pinsel gestrichen. Als Material benutzte man Öllacke, die man aus der Verkochung von Leinöl mit Baumharzen erhielt. Um diesen zähflüssigen Lack verstreichen zu können, wurde er mit Terpentin verdünnt. In mehreren Schichten trug man das Gemisch mit dem Pinsel auf; an den Einsatz der Spritzpistole war noch nicht zu denken: erstens waren diese Lacke dafür nicht geeignet, auch nicht bei entsprechender Verdünnung. Und zweitens lagen die Produktionsprobleme nicht in dem Auftragen des Lackes, sondern in seinen langen Trocknungszeiten. Drittens war die Zahl der produzierten Autos relativ gering und die Arbeitskräfte billig.
Erst mit der Fließbandproduktion der Autos, die schon vor dem 1. Weltkrieg begann, wurden neue Lacke und neue Applikationsmethoden notwendig. Der kurzen Montagezeit stand die lange Lackier-und Trocknungszeit gegenüber. Der Ausspruch von Henry Ford, dass ihm jede Farbe egal sei, Hauptsache sie sei Schwarz, beruhte nicht auf seiner Vorliebe für diesen Farbton. Verschiedene Farben hätten nämlich den Ablauf der Produktion total gestört.
Die Lösung der Probleme boten Nitrolacke, die kurze Trocknungszeiten besaßen. Allerdings erschwerten die kurzen Trocknungszeiten ein Verstreichen mit dem Pinsel. Die Lösung war aber schon da: die Spritzpistole. Mit ihr konnte die Nitrolacke schnell und einfach aufgetragen werden. Das bedeutete aber auch die Verringerung der Arbeiterzahl in der Lackiererei. Zwei im Gegensatz zu fünf oder sechs Arbeiter waren nur noch mit dem Fahrzeug beschäftigt.
Diese technischen Fortschritte reduzierten den Lackier- und Trocknungsaufwand um ein Vielfaches, was bei den steigenden Produktionszahlen auch notwendig war. Etwas später ermöglichte außerdem die Entdeckung des Weißpigmentes Titandioxid, die Fahrzeuge in verschiedenen Farben anzubieten. Schmückten bislang Einheitsfarben aus produktions- und materialtechnischen Gründen die Fahrzeuge, so konnten nun Farbwünsche der Kunden berücksichtigt werden.
Der technische Fortschritt hat aber nicht Halt gemacht; sowohl die Lacke als auch die Spritzpistolen wurden und werden immer weiter entwickelt und aufeinander abgestimmt: nach den Nitrolacken setzten sich die Kunstharzlacke in der Automobilproduktion durch, die in modifizierter Form noch heute bei fast allen Herstellern in der Serie eingesetzt werden.
Im Reparaturbereich für PKW behaupten sich zwei Systeme, einmal die Acryllacke für die Unitöne sowie die Basislacke für die Zweischichtmetallics.
Die Acryllacke sind Zweikomponenten-Materialien, die vor Gebrauch mit einem Härter versehen werden. Bei einer Temperatur von 60° C trocknen sie nach 30-40 min. Die Basislacke der Zweischichtmetallics werden ohne Härter aufgespritzt; sie trocknen nach 10-15 min an der Luft und werden dann mit Klarlack versiegelt Der zweischichtige Lackaufbau lässt die Metallic-Teilchen planlos ausrichten; eine bevorzugte Ausrichtung der Teilchen würde die reparierte Stelle verdeutlichen. Kombiniert werden kann dieser metallische Effekt mit Farbpigmenten, die die farbigen Metallics erzeugen.
Was bieten die Lackfirmen noch, was sich verspritzen lässt und „schön“ aussieht? Als Effektlacke bezeichnet man nicht nur die Zweischicht-Metallics, sondern alle Lackarten, die sich beim unterschiedlichen Betrachten in irgendeiner Weise ändern. Hierzu zählen beispielsweise Lacke mit groben Bronzen. Das sind Aluminiumteilchen wie bei den Metallics, nur in anderen Größenordnungen. Sie reflektieren das einfallende Licht in hohem Maße. Wie die „normalen“ Zweischicht-Metallics können die Lacke mit Farbpigmenten gefärbt werden. Angeboten werden auch in sich gefärbte Kunststoffteilchen. Die Größe der Teilchen macht es notwendig, mehrere Schichten Klarlack auf sie aufzutragen, um sie gegen mechanische Beschädigungen und Verwitterungen zu schützen.
Eine weitere interessante Gruppe bilden die Lasurfarben. Hierbei handelt es sich um lösliche Farbstoffe, die in mehreren Farbrichtungen angeboten werden. Man erhält sie entweder als Lösungen oder als Mischungen mit einem Aluminiumlack. Da ihre Anwendung nicht unproblematisch ist und in starkem Maße von der Spritztechnik abhängt, bevorzugt man die Mischungen mit einem Aluminiumlack.
Ein besonders schöner Effekt wird der Natur nachgeahmt: was schon immer bei Perlmuscheln, Käfern und Vogelfedern den Betrachter faszinierte, lässt sich mit den Perleffektlacken nachvollziehen. Ihre Pigmente bestehen aus winzigen ovalen Plättchen, die keine optische Wirkung zeigen. Auf die Plättchen trägt man ein Metalloxid auf, wobei hauptsächlich Titandioxid Verwendung findet.
Die Schicht Titanoxid beeinflusst die einfallenden Lichtstrahlen derartig, dass ein Teil reflektiert und der andere transmittiert. Der physikalische Begriff für diese Lichtteilung lautet Interferenz. Sie wird beispielsweise auch bei dünnen Ölfilmen auf Wasser beobachtet: An der Oberfläche der Titandioxidschicht reflektiert ein Teil des Lichtes; der Rest wird gebrochen und dringt in das Pigment. An der Grenzfläche zwischen dem Titandioxid und dem Trägerplättchen wird wiederum ein Teil des Lichtes reflektiert, der parallel zum ersten Teil aus der Titandioxidschicht tritt. Die Lichtwellen beider reflektierten Anteile beeinflussen sich gegenseitig. Ähnlich den Wellen, die zwei ins Wasser geworfene Steine erzeugen, können diese verstärkt oder ausgelöscht werden. Dieser Vorgang bzw. des Ergebnis ist bei den Perleffektpigmenten abhängig von der Schichtstärke des Titandioxides: Bei geringer Schichtstärke erhält man den weißen Perleffekt, größere Schichtstärken erzeugen gelbe, rote, blaue und grüne Farbenspiele. Den Effekt kann man nur aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten, ansonsten sieht man durch das Plättchen auf den Untergrund. Legt man beispielsweise eine grüne Unifarbe vor und spritzt auf diese einen Lack mit rotem Perleffekt, so sieht man entweder Rot oder Grün. Allerdings sind für die praktische Umsetzung einige Versuche notwendig.
Parallel zur Entwicklung der Autoproduktion, der Reparatur und der Lacke veränderten sich auch die Spritzpistolen. Aus den einfachen Geräten wurden inzwischen komplizierte Apparate: Spritzautomaten übernehmen in der Serienfertigung die Lackierung; die Arbeiter werden nicht mehr in den Lackierprozess einbezogen. Jetzt sind Spezialisten gefragt, die diese Automaten konstruieren und bedienen.
Für die Reparaturlackierung sind die Spritzpistolen mit stufenloser Einstellung von Rund- auf Flachstrahl ausgerüstet, Düsendurchmesser von 1,4 mm und Farbbecher mit 500 ml sind Standard. Diese Spritzpistolen sind in optimaler Weise auf das angebotene Lackmaterial abgestimmt.
Vergleicht man sie mit den kleinen Spritzpistolen für den grafischen Bereich, so fällt nicht nur die unterschiedliche Größe auf: Die Form der großen Spritzpistolen ähnelt mehr einer Pistole, man hält sie am Pistolengriff, der unten schräg angebracht ist. Freigegeben und dosiert wird die Luft- und Farbmenge über den nach unten zeigenden Abzugsbügel. Seine Funktion entspricht der Single-Action-Pistole. Ein weiterer Unterschied besteht im Düsenkopf. Während die grafischen Pistolen als Rundstrahler gebaut sind, können die großen Pistolen sowohl als Rund- wie auch als Flachstrahler gefahren werden.
Zwischen den ganz kleinen und den großen Spritzpistolen werden verschiedene Pistolen angeboten, wobei die beschriebenen Unterschiede nicht immer streng vorherrschen. Beispiele sind die Izumiya YT 03 mit Pistolengriff und die vergleichbare IWATA HP-BC als Spritzgriffel, oder die Letraset SA 4 als Rundstrahler und die SATA Minijet mit Regulierung von Rund- auf Flachstrahl.
Die Möglichkeiten, die die Lacke und Spritzpistolen bieten, können die unterschiedlichen Wünsche nach einer Farbgestaltung erfüllen. Der Aufwand reicht von einer Sonderfarbe aus der Serienproduktion über hochwertige Arbeiten eines Autolackierers bis zum Do-it-yourself. Entsprechend sind die Kosten für diese Arbeiten zu veranschlagen.
Die Tendenz, aus dem Einheitsangebot auszubrechen, wächst immer mehr. Individuelle Farbgestaltungen zielen deshalb in die gleiche Richtung wie der Anbau von Kunststoffteilen und Leichtmetallrädern. Wen das Objekt Auto zum Bearbeiten reizt, ob für sich selber oder für andere, der findet hierbei ein großes Betätigungsfeld.
Erwähnt werden muss noch unbedingt, dass sich diese Gestaltung nicht nur auf Arbeiten mit Lacken beschränkt. Für illustrative Werke auf einem Motorradtank beispielsweise lassen sich auch die „normalen“ grafischen Farben einsetzen: Gespritzt werden sie mit den entsprechenden Pistolen auf einer feinst angeschliffenen Lackfläche. Nach Abschluss versiegelt man das Werk mit Klarlack.
Werner Rudolf Cramer