Peter Röseler

Das Interview aus Ausgabe 4/86

Bei der Aufbereitung dieses Interviews für die digitale Ausgabe der Airbrush-Zeitung ist mir mit Schrecken bewusst geworden, wie viel Zeit seit dem ersten Erscheinen und heute bereits vergangen ist. Es sind knapp 30 Jahre! Inhaltlich aber scheint mir – trotz der langen Zeit – nichts an Aktualität verloren gegangen zu sein. Bis auf den einen oder anderen Firmennamen stimmt alles, was Peter Röseler zu erzählen hat. Doch lesen Sie selbst. (CMM)
Peter Röseler
Peter Röseler

Der Illustrator Peter Röseler

Als Interviewpartner für diese Ausgabe konnten wir mit Peter Röseler einen Mann gewinnen, der sich erst relativ spät entschlossen hat, seinem Interesse an der Illustration nachzugehen. Er ist 1934 in Magdeburg geboren, verheiratet und Vater zweier Kinder.

Väterlicherseits kreativ vorbelastet, begann er zur Sicherheit eine Lehre als Chemigraph, wechselte bereits 1949 in dieses unser Land und arbeitete hier in einer Reproanstalt. Anfangs im Abendstudium, später auf Anraten seines Lehrers „full­ timig“, studierte er in Essen an der Folkwangschule.

MarylinDie Verpflichtung, für seine Familie sorgen zu müssen, ließ ihn den sicheren Weg durch die werblichen Institutionen gehen. Im grafischen Atelier angefangen, dann Werbeagentur und schließlich Werbeleitung in der Industrie waren seine Stationen.

Seit etwa vier Jahren widmet sich Peter Röseler wieder der Illustration und verließ vor einem Jahr das industrielle Werbe-Umfeld. Heute arbeitet er als Freelancer.

Airbrush-Zeitung: Herr Röseler, wann kamen Sie zum ersten Mal mit der Spritzpistole in Kontakt?

Peter Röseler: Vor Jahren, etwa 1963, habe ich mal eine Art Praktikum in einer Reproanstalt gemacht. Dort hatte ich dann Gelegenheit, einem richtigen gelernten Retuscheur über die Schulter zu blicken. Es hat mich fasziniert und ich wollte das natürlich auch gleich lernen.

Airbrush-Zeitung: Wollten Sie von Anfang an auf die Retusche losgehen?

Wettbewerb „Deutschlandschaft“Peter Röseler: Nein. Das wollte ich nie. In dieser Reproanstalt hat man einen Mitarbeiter gesucht, der alles machen sollte. Von der Reinzeichnung angefangen und eben bei der Retusche aufgehört. Da hab’ ich vorher gelesen, was ich finden konnte, habe mich auch sonst informiert, wo es ging – und bin dann ins kalte Wasser gesprungen. Das hat eigentlich von Anfang an recht gut geklappt. Ich habe alles retuschiert, was mir in die Finger kam und schon nach kurzer Zeit schaffte ich dann sogar recht komplizierte Maschinenretuschen. Damals habe ich den technischen Grundstock gelegt für mein heutiges Können.

Airbrush-Zeitung: Sie haben gesagt, Sie hätten sich belesen. Gab es denn bereits Literatur über Retusche oder die Spritzpistole?

BierglasPeter Röseler: Ja. Ich besitze ein altes Fachbuch aus der DDR, das in einem Leipziger Verlag erschienen war. Da stand eine Menge drin über Spritzpistolentechnik.

Airbrush-Zeitung: Zurück zu Ihren Anfangsjahren in dieser Reproanstalt. Können Sie sich noch erinnern, welche Pistole das war, mit der Sie dort in Berührung gekommen sind?

Peter Röseler: Das war eine Grafo mit einer 0, 15 mm-Düse.

Airbrush-Zeitung: Ich weiß, dass Sie auch heute noch mit der GRAFO arbeiten. Wann haben Sie sich denn die erste eigene Spritzpistole zugelegt?

MeerfrauPeter Röseler: Das war zu jener Zeit, so um 1965 ungefähr. Ich glaube, ich habe sie über Klimsch besorgt. Die hat, wenn ich mich richtig erinnere, etwa 200,- Mark gekostet.

Airbrush-Zeitung: Und antriebsmäßig? Wie waren Sie denn auf diesem Sektor ausgerüstet?

Peter Röseler: Mit Pressluftflaschen. Damit habe ich noch bis vor etwa anderthalb Jahren gearbeitet. Dann erst bin ich auf Kompressoren umgestiegen. Von LETRASET habe ich mir den kleinen 30-Liter-Kompressor zugelegt.

Im Großen und Ganzen bin ich damit recht zufrieden. Nur ein Problem kann ich nicht abstellen: Es fließt immer ein kleines bisschen Öl aus, wenn ich damit arbeite. Deswegen steht die Maschine auch auf einer Plastikplane, wie Sie sehen. Woran das liegt, weiß ich nicht.

Airbrush-Zeitung: Vielleicht liest ja jemand von LETRASET dieses Interview und kann Ihnen helfen.

PannePeter Röseler: Trotzdem komme ich mit dem Kompressor gut zurecht. Bei der Flasche war einfach nachteilhaft, dass ich irgendwann, wenn Sie schon ziemlich leer war, nicht mehr genau ablesen konnte, wie lange der Luftvorrat noch ausreichen würde.

Und natürlich ging mir immer gerade dann die Luft aus, wenn ich mal übers Wochenende irgendeinen Schnellschuss zu bearbeiten hatte. Das hat mich oft in Schwierigkeiten gebracht.

Dieses Risiko wollte ich schließlich nicht mehr tragen.

Airbrush-Zeitung: Haben Sie denn die ganzen Jahre hindurch regelmäßig mit der Spritzpistole weiter gearbeitet?

Peter Röseler: Nein. Während der Zeit, wo ich als Werbeleiter in der Industrie tätig war, habe ich fast zehn Jahre keine Pistole in die Finger nehmen können. Keine Zeit! Und ich konnte mich einfach nicht mehr so richtig darauf konzentrieren.

Als dann der Punkt kam, wo ich über diese Management-Tätigkeit hinaus wieder kreativ arbeiten wollte, hab’ ich meine alte Spritzpistole wieder vorgeholt. Das ging anfangs nur am Wochenende. Eine Zeit lang habe ich ausschließlich zur eigenen Befriedigung illustriert.

Airbrush-Zeitung: Wie haben Sie sich eigentlich Ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet angeeignet?

Peter Röseler: In Magdeburg noch habe ich eine Lehre als Chemigraph gemacht. Dann bin ich in die Bundesrepublik umgezogen und habe hier in einer Lithoanstalt gearbeitet. Und da ich schon immer ein sehr großes Interesse am Zeichnen und Malen hatte, habe ich nebenbei Abendkurse an der Folkwangschule belegt.

Mein Lehrer, Jo Pieper, ein recht bekannter Maler, gab mir den Rat, ein Vollstudium zu beginnen. Weil ich aber auch Geld brauchte, habe ich eben abends weiter in der Lithoanstalt gearbeitet und tagsüber studiert Zwar hatte ich ein kleines Stipendium, aber damit kam ich nicht sehr weit.

Airbrush-Zeitung: Wurde im Studium die Airbrush-Technik denn schon behandelt?

Peter Röseler: Aber nein. Damals hat man wohl die Spritzpistole zur Kenntnis genommen, aber ansonsten ziemlich ignoriert.

Airbrush-Zeitung: Nun, das hat sich bis heute ja noch nicht sehr verbessert.

PapageiPeter Röseler: Wir sind eben nicht in Amerika oder England. Gerade neulich habe ich von einem bekannten deutschen Illustrator gelesen, dass er nur sehr ungern mit der Spritzpistole arbeitet. Die Ergebnisse wären ihm zu kalt und glatt.

Ich beobachte auch recht häufig, dass gerade Menschen von Spritzpistolen-Künstlern eher wie eine Gummipuppe oder ein aufgeblasener Taucheranzug dargestellt werden, als wie eben Menschen. Darum benutze ich beim Illustrieren nicht nur die Spritzpistole, sondern variiere meine Techniken.

Airbrush-Zeitung: Jetzt wird es interessant. Plaudern Sie doch mal ein bisschen aus der Schule.

Peter Röseler: Ja, natürlich. Ich vermeide zum Beispiel selbst bei kleinen Flächen Schablonen, die eine scharfe Kante hervorrufen würden. Oft benutze ich sogar die Fingerspitzen zum Abdecken bestimmter Partien. Mit einer fest aufliegenden Schablone würde man schnell zu viel Härte in die Konturen bekommen. Oder ich setze mal das Kurvenlineal leicht verkantet auf den Untergrund. Damit erhalte ich die Form und zwar ganz weich.

Oder, anderes Beispiel, ich arbeite viel mit Wischtechnik für Lichter und helle Teile. Manchmal mit dem Pinsel oder einem Wattestäbchen.

Airbrush-Zeitung: Radieren Sie Lichter denn auch manchmal ein?

Blauer AdlerPeter Röseler: Auch, ja, natürlich. Mit einem harten Gummi.

Airbrush-Zeitung: Welche Farben bevorzugen Sie denn eigentlich?

Peter Röseler: Gouachefarben. Also, ich arbeite fast ausschließlich mit Deckfarben – sehr selten verwende ich mal Lasurfarben. Das rührt vielleicht bei mir von der Retusche her. Mit diesen Farben kann ich fast alles machen, was ich mir vorstelle. Da tauchen kaum Probleme auf.

Airbrush-Zeitung: Mischen Sie sich Ihre Farben sozusagen „auf Vorrat“ an, oder immer erst dann, wenn Sie sie benötigen?

Peter Röseler: Ich mische in Paletten an und lasse die stehen. Die Farbe kann ruhig auftrocknen, denn ich kann sie ja immer wieder sehr einfach lösen. Das halt’ ich für sehr praktisch. Erst nachdem so eine Palette länger gestanden und Staub aufgefangen hat, lege ich sie neu an.

Airbrush-Zeitung: Hat Ihnen bei solchen Dingen Ihre wachsende Erfahrung geholfen?

Peter Röseler: Ja, natürlich auch. Üben sollte man aber nicht nur beim Farbmischen. Ich beobachte immer wieder, dass sich manche Grafik-Studenten eine teure Spritzausrüstung zulegen und nun denken, der Rest ginge von allein.

Dem ist natürlich nicht so. Die Grundvoraussetzungen für gute Illustrationen sind ein geschultes Auge und eine trainierte Hand. Zeichnen und Komposition sollte man viel mehr trainieren, als sich nur auf Technik zu verlassen.

Airbrush-Zeitung: Kommen wir noch einmal auf Ihre Technik zurück, Herr Röseler. Beschreiben Sie unseren Lesern doch bitte einmal kurz, wie das Titelbild entstanden ist Hatten Sie das Thema vorgegeben bekommen von Ihrem Auftraggeber?

Titelillustration ABZ 4/86

Peter Röseler: Nicht sehr konkret. Ich sollte einfach nur ein hübsches Mädchen in Zusammenhang mit Technik darstellen. Im Grunde genommen war die Auswahl völlig freigestellt.

Airbrush-Zeitung: Wie haben Sie denn Ihre Motive ausgesucht und woher haben Sie die Vorlagen genommen?

Peter Röseler: Dazu muss ich sagen, dass ich sehr gerne nach Fotos arbeite. Dabei spielt es keine Rolle, woher das Foto kommt Ich verfremde gerne Dinge und nehme sie aus ihrem ursprünglichen Rahmen.

Es kann sein, dass ich bereits bestimmte Dinge im Kopf habe und danach suche. Es kann aber auch sein, dass ich erst einmal ziemlich wahllos an die Themen herangehe, sodass ich dann nur den Themenbereich im Großen und Ganzen einkreise — beispielsweise Autos. Dass bei der Auswahl auf stilistische Feinheiten geachtet wird, wie das Zusammenpassen der Sujets, ist selbstverständlich.

Airbrush-Zeitung: Haben Sie ein Archiv für Vorlagen?

Peter Röseler: Natürlich kommt im Laufe der Zeit eine ganze Menge an Vorlagen zusammen. Alles, was mich interessiert, sammle ich.

Airbrush-Zeitung: Wie ging die Illustration jetzt weiter?

Peter Röseler: Zuerst einmal füge ich in einigen Grobskizzen die einzelnen Bildelemente zusammen. Dabei geht’s mir hauptsächlich um die Komposition und um die Größenverhältnisse.

In diesem Fall war das so, dass ich mit dem Auto begonnen habe und bei dem mit der Tiefe. Darauf habe ich den Rest abgestimmt. Konkret wurden zuerst die Rotflächen angelegt. Häufig bearbeite ich besonders markante Details mit dem Pinsel vor, und auf dieser Pinselzeichnung schneide ich dann die Schablonen nach.

Airbrush-Zeitung: Haben Sie eigentlich Probleme mit dem Maskierfilm, heben Sie sich damit nicht die Farbe von den bereits fertigen Teilen wieder ab?

Peter Röseler: Nein, denn ich arbeite ungern mit selbstklebendem Maskierfilm, sondern meist mit Azetatfolie, die ich mit Gewichten oder der Hand auf dem Untergrund festhalte.

Airbrush-Zeitung: War denn das Auto bereits fertig, als Sie mit dem Mädchen begonnen haben?

Peter Röseler: Fast. Bis auf die Effektlichter und Glanzpunkte war der Ferrari fertig. Um den Zusammenhalt der Arbeit besser beurteilen zu können, wurde das zurückgestellt und zunächst das Mädchen eingearbeitet.

Wenn die Grundflächen der gesamten Arbeit fertig sind, überarbeite ich alles noch einmal. So kann ich die Tiefe und die Schattenteile besser aneinander passen. Bei dem Mädchen zum Beispiel die Strümpfe. Ich arbeite sehr gern fotorealistisch und wende dabei die Mischtechnik an — also viel Pinsel-Einsatz.

Airbrush-Zeitung: Wie lösen Sie zum Beispiel die Haare?

Peter Röseler: Da zeichne ich mit einem sehr feinen Pinsel zuerst die dunklen Teile vor. Den „Körper“ oder die Form gebe ich den Haaren mit der Spritzpistole. Nach außen decke ich mit einer losen, leicht abgehobenen Maske ab, damit die Konturen weich werden. Zum Schluss wasche ich hellere Teile teilweise mit dem Pinsel wieder heraus und setze als letztes mit dem Pinsel die Lichter auf

Airbrush-Zeitung: Über diese Beschreibung werden sich einige Leser sicher freuen. Bitte geben Sie zum Schluss noch ein kurzes Statement über die Zukunft der Spritzpistole und einen Rat aus Ihrer Sicht für die Anwender.

Peter Röseler: Sicher bleibt die Spritzpistole auch in Zukunft, trotz Computer, ein wichtiges Instrument der Illustration. Vielleicht gewinnt Sie sogar noch an Bedeutung. Und mein Rat: Der Anwender sollte nicht zuletzt großen Wert legen auf zeichnerische und gestalterische Dinge und die Spritzpistole als das ansehen, was sie ist, nämlich ein gutes Instrument zur grafischen Umsetzung.

Airbrush-Zeitung: Herr Röseler, vielen Dank!